09.12.2025: Die Kieler Philharmoniker spielten am 21. November ihr erstes Klima-Konzert und eröffneten damit schwungvoll ihre „Con-Spirito“-Reihe, bei der Musik mit Vorträgen kombiniert wird. Dabei zogen der Kieler Klimaforscher Prof. Dr. Mojib Latif und das Philharmonische Orchester unter Leitung von Gregor Mayrhofer bei klirrender Kälte viele Interessierte in die Halle 400 und mit klaren Worten sowie kraftvollen Tönen in den Bann.
Gleich mit den ersten Tönen zeigten die Musizierenden eine große Spielfreude und gestalteten die Ouvertüre „Die schöne Melusine“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy mit einer enormen Detailschärfe aus, die stark in den Sog dieser fließenden, dabei aber gleichfalls sehr spritzigen Musik ziehen konnte. Zu diesem sowie den weiteren Stücken von Jean Sibelius („Der Schwan von Tuonela“), der „Oberon“-Ouvertüre von Carl Maria von Weber und ebenso zwei Sätzen der sechsten Symphonie („Pastorale“) von Ludwig van Beethoven stellte Mojib Latif direkte Bezüge zu den Herausforderungen durch den Klimawandel her.
Dabei ordnete er den „Winter“ aus den „Vier Jahreszeiten“ von Antonio Vivaldi zudem in den Kontext anderer Künste ein, da Gemälde z.B. die zugefrorene Lagune von Venedig zeigen – und Vivaldi ganz offensichtlich klirrende Kälte während der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ mit allen Sinnen erleben konnte. Diese ergreifende Musik ist für mich direkt mit einem der ersten Klima-Konzerte verbunden, die aufgeführt wurden und an dem ich teilnehmen konnte: einem Konzert des Elbphilharmonischen Orchesters im November 2019, bei dem die Musikerinnen und Musiker eine Überarbeitung der Originalnoten entsprechend wissenschaftlicher Fakten eindrucksvoll aufführten und damit „die Klimakrise hörbar machen“, wie der NDR schrieb (NDR Mitschnitt & mein Block-Eintrag).
Auch im Kieler Klima-Konzert herrschte trotz herausfordernder akkustischer Bedingungen eine sehr große Aufmerksamkit und im zweiten Teil der Veranstaltung eine rege Beteiligung bei der offenen Podiumsdiskussion, die mit viel Elan von der Konzertdramaturgin Leonore Reuleke geleitet wurde.
Dabei beschrieb Gregor Mayrhofer wie er beim Dirigieren sein Orchester bei Veränderungen mitnimmt: Wenn er andere Vorstellungen vom Tempo habe, dann müsse er die Musizierenden ganz vorsichtig in die Richtung führen, die seiner „Vision“ entspricht, denn wenn er zu weit vorgreife, dann „zerreißt die Kette“. Dies lässt sich von der Musik auf gesellschaftliche Transformation übertragen und kann geradezu als ein grundsätzliches Vorgehen angesehen werden, um eine solche Aufgabe gemeinsam zu meistern.
Für mich ist es ein deutliches Bild dafür, dass starke Empathie und (hier im Wortsinn) viel Taktgefühl für das Gelingen einer Veränderung notwendig sind – welches ganz sicher auch allgemein für die Arbeit im Klimaschutz übertragbar ist. Mojib Latif spricht von einem ähnlich sensiblen Ausbalancieren im Bezug auf die Kommunikation, denn bei dieser sei es wichtig „einen schmalen Grad zu finden zwischen Panikmache und Verharmlosung“. Er betonte die Wichtigkeit der Verbindung von Kunst und Wissenschaft, da dies helfen könne, mit unseren Sinnen anders wahrzunehmen und in einen intensiven Austausch zu kommen. Dazu steuerte während der Podiumsdiskussion das Orchestermitglied Tim Eisenträger viele praktische Erfahrungen wie die Nutzung des Fahrrades auch für die Philharmoniker bei.
Insgesamt zeigte die konzentrierte Atmosphäre auch während der offenen Diskussion das starke Interesse des Publikums an diesem Format, welches auch sehr deutlich an den zahlreichen Redebeiträgen zu erkennen war. Eine wichtige Grundlage für den regen Austausch war sicherlich das große Fachwissen und die vielen Erfahrungen der Podiumsteilnehmer, denn so hatte Mojib Latif bereits 2008 das Buch mit dem Titel „Bringen wir das Klima aus dem Takt?“ veröffentlicht und Gregor Mayrhofer 2021 das „Recycling-Concerto“ komponiert und dies in den letzten Jahren bereits mehrfach aufgeführt. Doch diese Erfahrungen standen in angenehmer Weise nicht im Vordergrund – sondern ein wirklich tiefgehender Schutz des Klimas und somit „unserer zerbrechlichen und schönen Erde“, wie sich Mojib Latif mit Blick auf eine Aufnahme der Raumsonde Apollo aus dem Jahre 1968 ausdrückte.
Langer Applaus sowohl am Ende des Konzertes als auch nach der Podiumsdiskussion in der fast ausverkauften Halle 400 zeigte deutlich die große Begeisterung, die diese Veranstaltung auslösen konnte. Zudem gab sie den Besucherinnen und Besuchern starke Impulse mit, so dass trotz sehr eindringlicher Worte und bei eisigen Temperaturen auch viele zuversichtliche Worte auf den Rückwegen zu hören waren. Ein bestens gelungener Auftakt, der sowohl dem Klimaschutz als auch der „Con-Spirito“-Reihe viel Schwung geben konnte und deutlich nach Fortsetzungen ruft.